Die Ironie positiver Mantras: Warum 81 % von ihnen Vorahnungsangst auslösen
Positive Mantras, also jene mit Überzeugung wiederholten Affirmationen, werden oft als wirkungsvolle Instrumente der Persönlichkeitsentwicklung angepriesen. Sie versprechen, unsere Denkweise zu verändern und positive Erfahrungen anzuziehen, und sind daher in Selbsthilfebüchern, Meditations-Apps und Social-Media-Posts allgegenwärtig. Doch hinter dieser positiven Fassade verbirgt sich eine komplexere Realität: Studien zufolge können bis zu 81 % der positiven Mantras paradoxerweise Angstzustände auslösen. Wie ist das möglich, und wie können wir diese Falle vermeiden?
In diesem Artikel gehen wir dem Kern dieses scheinbaren Widerspruchs auf den Grund. Wir untersuchen die psychologischen Mechanismen hinter der mit Mantras verbundenen Vorwegnahmeangst und gehen der Frage nach, warum manche Affirmationen mehr schaden als nutzen können. Abschließend bieten wir effektivere und differenziertere Alternativen, um eine positive Denkweise zu entwickeln, ohne in einen Teufelskreis der Angst zu geraten.
Die Falle der toxischen Positivität
Das Konzept der „toxischen Positivität“ wird in der Psychologie zunehmend diskutiert. Es beschreibt den sozialen Druck, unter allen Umständen eine positive Einstellung zu bewahren, selbst angesichts realer Schwierigkeiten. Positive Mantras, die übermäßig oder unangemessen verwendet werden, können zu diesem Phänomen beitragen, indem sie negative Emotionen verleugnen oder verharmlosen. Diese emotionale Unterdrückung kann langfristig zu verstärkter Angst führen.
Die eingangs erwähnte Studie, deren exakte Zahl von 81 % möglicherweise eine Vereinfachung darstellt, verdeutlicht ein reales Problem: Wenn wir ständig versuchen, positiv zu denken, riskieren wir, unangenehme Gefühle, die unsere Aufmerksamkeit erfordern, zu ignorieren oder zu verdrängen. Anstatt sie zu verarbeiten, verdrängen wir sie und schaffen so einen Nährboden für Angstzustände.
Warum bestimmte Mantras Angstzustände auslösen
Mehrere Faktoren können erklären, warum manche positive Mantras kontraproduktiv sind:
- Unrealistische Aussagen: Aussagen, die zu allgemein oder zu weit von der Realität entfernt sind („Ich bin reich und berühmt“), können ein Gefühl kognitiver Dissonanz hervorrufen, also einen Konflikt zwischen dem, was wir sagen, und dem, was wir tatsächlich fühlen. Diese Dissonanz kann Angstzustände auslösen.
- Leistungsdruck: Zielorientierte Mantras („Ich werde alle meine Prüfungen bestehen“) können übermäßigen Druck und Versagensangst erzeugen. Erreichen wir diese Ziele nicht, riskieren wir, uns noch ängstlicher und wertlos zu fühlen.
- Gefühlsverleugnung: Aussagen, die negative Gefühle verleugnen oder verharmlosen („Ich bin nicht traurig“), können besonders schädlich sein. Es ist wichtig, unsere Gefühle, auch die unangenehmsten, zu erkennen und zu akzeptieren, damit wir sie auf gesunde Weise bewältigen können.
Alternativen zu traditionellen Mantras
Glücklicherweise gibt es effektivere und differenziertere Alternativen, um eine positive Denkweise zu entwickeln, ohne in die Angstfalle zu tappen:
- Realistische und konkrete Affirmationen: Anstatt unrealistische Behauptungen aufzustellen, konzentrieren Sie sich auf konkrete Aspekte Ihres Lebens, die Sie verbessern möchten. Sagen Sie beispielsweise nicht „Ich bin perfekt“, sondern „Ich mache Fortschritte in meiner Arbeit“.
- Prozessorientierte Affirmationen: Konzentrieren Sie sich nicht nur auf das Endergebnis, sondern betonen Sie die Anstrengungen, die Sie unternehmen, um Ihre Ziele zu erreichen. Sagen Sie beispielsweise nicht „Ich werde diesen Wettbewerb gewinnen“, sondern „Ich gebe mein Bestes in der Vorbereitung“.
- Selbstakzeptanz und Mitgefühl: Anstatt deine negativen Gefühle zu verleugnen, lerne, sie mit Mitgefühl anzuerkennen und anzunehmen. Denk daran, dass jeder schwierige Zeiten durchmacht und du nicht allein bist. Kristen Neff, eine renommierte Forscherin auf dem Gebiet des Selbstmitgefühls, betont, wie wichtig es ist, sich selbst mit der gleichen Freundlichkeit und dem gleichen Verständnis zu begegnen, die man einem engen Freund entgegenbringen würde.
Achtsamkeit als Instrument zur Emotionsregulation
Achtsamkeit ist eine Praxis, bei der wir dem gegenwärtigen Moment bewusst und wertfrei unsere Aufmerksamkeit schenken. Sie kann ein wertvolles Werkzeug sein, um Ängste zu bewältigen und ein ausgeglicheneres Gemüt zu entwickeln. Indem wir unsere Gedanken und Gefühle beobachten, ohne sie kontrollieren oder verändern zu wollen, können wir lernen, sie anzunehmen und vorbeiziehen zu lassen, ohne uns davon überwältigen zu lassen.
Studien haben gezeigt, dass regelmäßige Achtsamkeitsübungen Symptome von Angstzuständen und Depressionen lindern, die Konzentration verbessern und das allgemeine Wohlbefinden steigern können. Zahlreiche Angebote zum Erlernen von Achtsamkeit stehen zur Verfügung, darunter Meditations-Apps, Online-Kurse und Präsenzworkshops.
Die Balance zwischen Positivität und Realismus finden
Positive Mantras können hilfreich sein, um unsere Denkweise zu verbessern. Es ist jedoch wichtig, sie mit Bedacht einzusetzen und die Falle toxischer Positivität zu vermeiden. Indem wir realistische und konkrete Affirmationen wählen, uns auf den Prozess statt auf das Ergebnis konzentrieren und Selbstakzeptanz und Mitgefühl üben, können wir eine positive Denkweise entwickeln, ohne Angstzustände auszulösen. Achtsamkeit kann zudem ein wertvolles Werkzeug sein, um unsere Emotionen zu regulieren und den gegenwärtigen Moment voll und ganz zu erleben.
Denk daran, dass persönliche Entwicklung ein Weg und kein Ziel ist. Sei geduldig mit dir selbst, probiere verschiedene Ansätze aus und finde heraus, was für dich am besten funktioniert.











